Sonntag, 7. September 2008

:-I Tag Fünf: Sonntag 7. Sept.08

Die Dinge verändern sich so schnell, dass wir mit dem Schreiben nicht nachkommen

Ich versuche die letzten 4 Tage halbwegs chronologisch zusammenzufassen.

Marie-Therese wurde am Mittwoch NAchmittag vom Spital entlassen.
Sie hatte arge Schmerzen im Beckenbereich, konnte fast nicht gehen und sitzen.
Auch Schmerzmittel wirkten nicht so richtig.
Am Donnerstag hatte sie den ganzen Tag erhöhte Temperatur und am Abend über 38,5 Grad Fieber. Das galt im Spital als ungewöhnlich und besorgniserregend, also musste sie zur Kontrolle wiederkommen. Um eventuelle Entzündungen auszuschließen hätten die Ärzte gerne einen Tropfen Blut von ihr gehabt, aber sie wollte nicht einmal einen Fingerstich zulassen.
Jetzt nimmt sie präventiv 3xtäglich ein Antibiotika. Die Schmerzen lassen sehr langsam nach, sie kann schon "normal" gehen, aber Stiegensteigen schmerzt immer noch, ebenso wie Sitzen oder liegen.

Eine der beiden Einstichstellen hatte gestern (Samstag) nicht ganz so gut ausgesehen, aber langsam wachsen die beiden kleinen Löcher zu.

Mittlerweile habe ich von dem bei der OP assistierenden Pfleger erfahren, dass zwar in der Haut nur ein Einstich sichtbar ist, aber durch verschieben der Haut wird mehrmals an verschiedenen Stellen des Beckenknochens hineingestochen um die notwendige Menge an Knochenmark zu entnehmen. Deshalb sind die Wund-Schmerzen durchaus verständlich.

Beim Philipp geht es seit Mittwoch stetig bergab. Das entspricht zwar grundsätzlich dem Protokoll, gestaltet sich aber trotzdem sehr spektakulär.

Die Leukos haben sich seit vergangenen Samstag täglich halbiert, von 13.000 am Samstag auf 7500 am Sonntag, bis zu 250 am Freitag. Gestern (Samstag) waren es 0,1 - also praktisch Null. Heute Sonntag - der erste Lichtblick sie wachsen an und steigen auf 0,19. Jeweils am Montag wir in einem speziellen Verfahren überprüft ob es seine alten oder seine neuen Zellen sind. Weil unsere Kinder unterschiedliches Geschlecht haben erkennt man das leicht an den XY Chromosomen.

Alle anderen Blutwerte sind aber durcheinander.

Philipp reagiert seit Mittwoch auf viele notwendigen Medikamente. Zuerst den Immunblocker, der notwendig ist um eine Abstossung zu verhindern. Man versuchte nun das Medikament nicht über die Venen sondern über den MAgen zu geben, da sind die allergischen Reaktionen normalerweise nicht so stark. Deshalb die Sonde, weil Schlucken ab Freitag/Samstag wahrscheinlich nicht mehr möglich sein wird.
Bei Philipp war es aber anders, die Reaktion auf das Medikament im Magen war noch viel heftiger.
Rote juckende Flecken am ganzen Körper, Hitzeschübe und gleichzeitiger Schüttelfrost, der Kreislauf durcheinander, Kopfschmerzen, und Übelkeit.
EIn Gegenmittel wirkte zwar relativ rasch, trotzdem waren es grausliche Stunden.

Jetzt bekommt er einen andern Immunblocker den er gut verträgt. Alleine schon wegen dem Namen "Prograf" also für den Grafen. ;-))


Dafür hat er auf ein nun notwendiges Antibiotikum am Donnerstag genauo allergisch reagiert. Jetzt versucht man es mit einem anderen Mittel und einem Gegenmittel, das man vorher verabreicht usw...

Die Morphiumdosis wurde seit Mittwoch täglich erhöht, liegt aber (noch) im akzeptablen Bereich, sagen die Schwestern. Merhmals täglich kann er sich selber mittels Knopfdruck einen BOLUS geben, das ist ein zusätzlicher Boosterschub. Die Maschine merkt sich aber wie viele solcher Bolus er sich gibt und limitiert die Tagesdosis und die Pause zwischen den Zusatzgaben.

Trotzdem reagiert Philipp mehrmals Täglich mit einer heftigen allergischen Reaktion.
Heißer Kopf, rote Ohren, kalte Finger und Zehen, Schüttelfrost, Übelkeit erhöhte Temperatur, rote ganz arg juckende Flecken an allen Körperteilen. Wir versuchen verschiedene Cremen um den Juckreiz zu lindern. Philipp ist sehr tapfer, aber manchmal verliert er die Geduld weil die Schmerzen zu zu schnell zu arg werden.
Bis er es merkt die Schwester bzw Arzt es begutachten und ein Gegenmittel abgeschlossen ist, bis das Mittel wirkt und die Reaktionen abklingen dauert so ein Prozess rund 2-3 Stunden.
Die letzten Tage war das meistens am Abend, immer dann wenn ich gerade Heimgehen wollte so gegen 20:00 Uhr.

Philipp ist sehr stolz auf seine Magensonde, und geniest es so manche grauslich schmeckende Sache nicht zu trinken sonder zu sondieren. Auch ist er sehr darauf bedacht nicht zu brechen, weil er weiß dass dabei die sonde mithochkommt.

Mit den Blutwerten fallen auch die Tromozyten, das sind die Blutplättchen. Dadurch neigt er sehr leicht zu Blutungen. Auf der Haut entstehen rote Punkte.
Die Schleimhäute haben sich bis Samstag nahezu vollständig verabschiedet. Aus dem Mund fließt blutiger gelber Schleim.

Durch das liegen und die wenige Nahrungsaufnahme hat der Darm aufgehört zu arbeiten.
Gleichzeitig drückt aber der Bauch. Wir versuchen es zunächst mit Zäpchen dann wird es aber doch ein Einlauf. Das Ergebnis ist ziemlich Blutig. Auch aus dem Mund fließt blutiger Speichel. Die Backen sind geschwollen jegliches Gefühl im Mund ist weg.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag passiert es dann.
Im Magen hat sich Blut angesammelt. Blut kann der Körper nicht selber verdauen, das sammelt sich im Magen bis er übergeht. So gegen Mitternacht ist dann eine ordetliche Portion hochgekommen und mit ihr - eh klar - die Magensonde.
Daraufhin gab es als Sofortmaßnahme ein Trombokonzentrat in die Venen - sie sind darurch zwar etwas gestiegen aber immer noch weit unter dem Normalwert, wahrscheinlich kommt heute noch so ein gelbes Blutsackerl.
Im Morgengrauen hat Philipp dann wieder einige Portionen Blut erbrochen.

Dafür hat man aber die Ursache für die allergische Reaktion gefunden. Es liegt wahrscheinlich am Morphium. Jetzt bekommt er ein Gegenmittel das zwar die schmerzstillende Wirkung des Morphium nicht beeinträchtigt, aber die Nebenwirkungen lindert.
Dieses Mittel gibt es aber nur zum Schlucken, ist jetzt blöd ohne Sonde mit offenen Mund- und Halsschleimhäuten. Tapfer erträgt aber Philipp auch diese Qualen.

Und wir haben die Hoffnung - die Leukos steigen ;-)) das heit sie wachen an, und mit steigenden Leukos geht es dem Körper relativ rasch wieder besser.

Neue Magensonde gibt es zunächst nicht, weil sie durch die offenen Rachenschleimhäute nicht eingeführt werden kann. Also heit es jetzt wieder Schlucken, was aber momentan nicht möglich ist.
Auch berichten jene ELtern auf der Station, die einige Wochen vor uns im Zeitplan liegen, dass die Kinder ca 2 Wochen nichts, absolut nichts Essen und Trinken.

Das ist zwar nicht bedenklich, weil der Körper über die Venen mit Nährstoffen versorgt wird, aber gefähöich für den Darm. Dieser hat nichts zu tun und lebt von Bakterien und Pilzen, die wollen beschäftigt werden, und können wegen Lagenweile auf dumme Gedanken kommen. Das könnte unter Umständen gefählich werden.

Auch sollte Philipp seine Lungen trainieren. Durch das viele liegen und die wenige körperliche Aktivität werden die Lungen nicht bis in die letzten Spitzen versorgt. Dadurch entsteht die Gefahr einer Lungenentzündung. Deshalb der Spirotrainer, der aber im momentanen Zustand von Philipp nicht benutzt werden kann. Er ist viel zu schwach und schafft es gerade zum Pinkeln aufzustehen. Hie und da setzt er sich im Bett auf, das war aber auch schon mit körperlicher Ertüchtigung.

Schwierige Situation wenn man vorbeigend etwas tut sollte aber körperlich einfach nicht kann. Jetzt müssen wir auf die "frischen" Leukos warten, dann geht manches wieder leichter, und hoffen , dass in der Zwischenzeit nichts schlimmes mit den Bakterien. Pilzen und Viren im Körper passiert.

Man kann noch lange nicht von einer erfolgreichen Transplantation sprechen. Zu viele gefähliche Phasen müssen noch überstanden werden.

Als nächstes kommt dann der sogenannte GvHD. Das ist eine Reaktion der neuen Zellen auf das neue zu Hause. Schließlich erkennen die Zellen den Körper von Philipp noch nicht als ihren eigenen und attakieren ihn. Als Gesundheitspolizei fressen sie alles Fremde auf. Dadurch kann sich die Haut auflösen, die Leber durcheinanderkommen und einige andere Organe verrückt spielen. Aber dazu mehr wenns soweit ist.

Derzeit sind wir damit beschäftigt jeden Tag neu zu planen wer zu welcher Zeit bei welchen Kind ist. Philipp darf täglich zwischen 11:00 Uhr bis zum Schlafengehen von einem von uns besucht werden. Marie-Therese versucht es Morgen (Montag) mit dem ersten Schultag und braucht auch eine Nachmittagsbetreuung. Dazwischen bleiben so viele Dinge auf der Stecke. Von Haushalt, über Lebensmittel einkaufen, vielleicht auch versuchen zu arbeiten, eine organisatorische Herausforderung. Die Kommunikation und Abstimmung ist größtenteils nur über´s Handy möglich, wobei im Spital ein Telefonieren quasi unmöglich ist, wegen Hygienemaßnahmen. (Siehe Post von vergangener Woche) Am Abend fallen wir erschöpft ins Bett können aber nicht schlafen, weil der Kopf nicht abschalten kann.