Samstag, 24. Mai 2008

:-I Mi 21.5.2008

Zurück zur harten Realität.
Wir zählen die Tage nicht mehr, weil wir vielleicht neu zu zählen beginnen: Die Transplantation ist wieder aktuell und damit gäbe es einen neuen Tag 0.

Wir hatten am Mittwoch ein Gespräch mit dem Ärzten, das uns sehr nachdenklich stimmt. Das positive vorab: Marie-Therese würde als perfekter Spender zu nahezu 100% in Frage kommen. Das hat das Ärzteteam im St.Anna dazu veranlasst uns über Chancen und Risken aufzuklären und irgendwie fast zu einer Transplant zu überreden.

Mit "nur" Chemotherapie überleben bei einem Rückfall, so wie bei Philipp, ca. 4 von 10 Kindern. Die Chancen für Philipp bei desen 4 dabei zu sein stehen gut, weil es zum Einen sehr früh erkannt wurde, zum Anderen weil er bereits in den ersten Wochen sehr gut auf die Chemo angesprochen hat. Dagegen spricht, dass der Rückfall nur im Knochenmark festgestellt wurde, das ist der schlechteste Fall eines Rückfalls. Wäre auch oder nur das zentrale Nervensystem befallen so wären die Chancen deutlich höher.
Also es kann nun nur mit der Chemo gutgehen, aber falls es nocheinmal einen Rückfall gibt, ganz gleich ob nach 1, 2 Jahren oder nach 10 Jahren, dann gibt es eigentlich keine oder fast keine Heilungschancen mehr. Auch nicht mehr mit einer Transplantation.
Es muss also beim jetztigen Therapieprozess die Leukämie endgültig besiegt werden, eine weitere Chance gibt es eigentlich nicht.
Naja und mit einer Stammzellentransplantation könnte man diese Chancen wesentlich erhöhen, wie immer sich das "wesentlich" definiert. In Prozenten oder genauen Zahlen kann man das nicht ausdrücken.

Soweit sogut, damit spricht eigentlich alles für eine Transplantation. Wären da nicht die Risken und Nebenwirkungen bzw. möglichen Langzeitschädigungen.
Vor der Transplant muss das gesamte Immunsystem und blutproduzierende System von Philipp zerstört werden. Das passiert mit einer Hochdosis-Chemo und mit Bestrahlungen.
Je nach Art und Stärke der Strahlen- und Chemotherapie, die zur
Konditionierung notwendig ist, kann es manchmal zu schweren Organfunktionsstörungen
an Nieren, Leber, Lunge oder Herz kommen.
Viele dieser Funktionsstörungen bilden sich mit der entsprechenden Behandlung wieder zurück, in seltenen Fällen können jedoch bleibende oder lebensbedrohliche Organschäden auftreten. In den meisten Fällen führt die hochdosierte Strahlen- oder Chemotherapie zu Unfruchtbarkeit.
Und dann gibt es noch die Risken danach, wegen Abstossung der "neuen" Zellen, wegen Infektionen etc.
Detailiert und auch für Laien verständlich kann man vieles über eine Transplantation in der Zusammenstellung von Frau Dr. Matthes / Leiterin der Transplantstation des St. Anna nachlesen.

Der gesamte Prozess wäre also für Mitte August geplant und dauert zumindestens 6 Wochen. 2 Wochen Vorbereitung und mindestens 4 Wochen danach in der Isolierstation. Meistens sind es aber wegen irgendwelcher Komplikationen 6-8 Wochen dannach.
Dann muss langsam das Immunsystem von Philipp wieder aufgebaut werden, vergleichbar mit einem Neugeborenen. Es wird ca 4-6 Monate dauern bis er wieder unter Leute gehen darf, also auch zur Schule, und es wird ca 1-2 jahre dauern bis er dann wieder ganz fit ist. In dieser Zeit wird das Immunsystem dosiert aufgebaut, es ist aber dann keine Chemotherapie mehr notwendig.

Der jetzige Chemoblock dauert noch bis Ende Mai und findet eigentlich nur Ambulant statt, dann folgen 2 Wochen Therapiepause und dann 2 Intensivblöcke zu je einer Woche stationär im Spital und ann 2-3 Wochen Regeneration zu Hause bzw. wegen schlechter Blutwerte oder Infekten eben auch im Spital. Je nachdem wielange sich die Regenerationsphasen hinziehen ist es dann Anfang bis Mitte August. Dann Transplant ca. 8 Wochen und dann 2 Monate Aufbauphase, könnte sich also knapp bis Weihnachten ausgehen um wieder langsam am "normalen" Leben teilzunehmen.

Alternativ zur Transplantation gäbe es noch 3 solcher Chemoblöcke, wobei die Nebenwirkungen durch den zunehmend geschwächten Körper dann immer stärker werden und auch die Regenerationsphasen bis zum nächsten Block immer länger dauern werden. Insgesammt also bis Mitte/Ende November. Nach etwa 4-6 Wochen Regeneration könnte Philipp wieder zu Schule gehen und Freunde treffen. Dann folgen 2 Jahre Dauertherapie (Chemotherapie durch Tablettenschlucken). Und dann folgt das ewige Zittern ob es nun endgültig geschafft ist oder nicht.

Für Marie-Therese wäre die Spende völlig harmlos und ungefährlich. Es sind eigentlich keinerlei Vorbereitungen erforderlich. Am Tag 0 wird in Vollnarkose etwa 0,75 bis 1 Liter Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen, das dauert nicht lange und man kann bald dannach, meistens am gleichen Tag, wieder nach Hause gehen. Es bleiben (nur) 1-2 Tage leichte Schmerzen an den Einstichstellen, vergleichbar mit einem blauen Fleck. Kein Risiko, keine Langzeitwirkung. Auch kann mehrmals im Leben Knochenmark gespendet werden. Die Zellen sind kurzlebig und wachsen daher auch schnell nach.

Wir haben seit Mittwoch sehr unruhige Nächte, weil es für uns alle eine sehr belastende Entscheidung ist, welchen Weg wir nun einschlagen sollen. Philipp ist natürlich auch sehr nachdenklich, gleichzeitig aber durch die Chemo vom Mittwoch sehr müde und verschläft den halben Tag.

Am Freitag war wieder eine Punktion, heute Samstag und Morgen Sonntag nur ein Kurzbesich im Spital und am Montag wieder ein Blutbild und eine kurze Chemo.

Kommendes Wochenende wiederholt sich dieser Zyklus, Freitag Punktion, Sa, So, Mo eine Ampulle in die Venen und wieder nach Hause.
Das jetzige Chemomittel bewirkt, dass der Hunger praktisch wie weggeblasen ist. Philipp hat sich am Freitag von nur einen halben Burger ernährt. Auch zum (vielen) Trinken muss er sich jetzt zwingen, bzw. müssen ihm wir ihm sehr motivieren.
Körperlich geht es ihm aber derzeit relativ gut, der Bauch wird wieder kleiner, der Venenkatheter funktioniert auch wieder einwandfrei.

Nun denn, ganz gleich wie er/wir uns nun entscheiden, nach dem letzten Arztgespräch ist klar, dass Philipp zumindestens bis Weihnachten isoliert leben muss, und wahrscheinlich erst zwischen Weihnachten und Semesterferien wieder langsam am (normalen) Schulalltag teilnehmen darf.